Hintergrund

Die Arbeiten am Cosmotool wurden im Rahmen der vergangenen Projektphase von DARIAH-DE begonnen – primär um die prinzipielle Eignung eines solchen Werkzeugs für die Unterstützung der geisteswissenschaftlichen Forschung zu erheben und Anforderungen an die Umsetzung einer produktiven Version des Cosmotools im Rahmen der aktuellen Förderphase zu sammeln. Der Fokus der Konzeption und prototypischen Implementierung des Cosmotools lag und liegt dabei primär auf Anforderungen, die aus der qualitativen, historischen Forschung am Leibniz Institut für Europäische Geschichte (IEG) Mainz abgeleitet werden können.

Mit Hilfe automatischer Methoden zur Analyse und Visualisierung von Daten soll die qualitative Forschung insbesondere wie folgt unterstützt werden:

  • Biographische Informationen aus unterschiedlichen Quellen sollen zu (potenziell) transnationalen Lebens- und Bewegungsprofilen historischer Personen zusammengeführt werden.
  • Die interaktive Erschließung dieser Profile aus unterschiedlichen Dimensionen (Personen, Orte, Zeitpunkte/-räume, Ideen/Ereignisse) soll Kriterien für Zusammenhänge zwischen Entitäten, die Gruppierung von Personen und die Visualisierung dieser Personengruppen ermöglichen.

Anwendungsfälle für die Analyse und Verarbeitung biographischer Daten mit Hilfe informatischer Methoden waren hierbei zunächst auf das Cosmobilities Projekt [2] des IEG fokussiert. Durch die Erweiterung der Betrachtung auf einen weiteren, primären Anwendungsfall der historischen Forschung am IEG, sowie den Rückmeldungen von Nutzern und Interessenten des Cosmotools konnten Anforderungen so generalisiert werden, dass einmal implementierte, technisch generische Konzepte zu einer Unterstützung einer Vielzahl spezifischer, fachlicher Anwendungsfälle führen.

Motivation

Internationale Perspektive auf Biographien stärken

In biographischen Beschreibungen werden historische Akteure oft im Rahmen einer Nation portraitiert [Pa15]. Das Cosmotool kann durch Erfassen der Daten aus mehreren Quellen ein breiteres Bild zeichnen und potenziell die internationale Karrieren der historischen Persönlichkeiten erfassen. Auch wenn Versuche eine inter-/transnationale Geschichte zu schreiben nicht neu sind, bietet das Cosmotool einen Vorteil in dem es einen schnelleren Überblick über die schematischen biographischen Profile erlaubt.

Erkennen der Muster in Biographien

Methode und Forschungsstand

Die Fragen um Schulbildung in Russland, Einfluss der deutschsprachigen Bevölkerung darauf und der pietistischen Mission wurden bis dato hermeneutisch bearbeitet. Im Zentrum des Interesses stand in diesen frühen Arbeiten die Petrischule, deren Stellung gegenüber der Regierung bzw. die Frage, inwieweit die Einflussnahme der russischen Obrigkeit die Schulorganisation veränderte oder sogar zur Schließung von Schulen führte. Deutlich wird in diesen Studien, dass Russland seit Peter dem Großen das Bildungswesen von oben nach unten aufbaute und spätestens seit 1762 auch deutsche Fremdenschulen darin integrierte. Der Aufsatz von Ralf Tuchtenhagen [Tu94] beschäftigt sich ebenfalls mit der Entwicklung der Kirchenschulen in St. Petersburg. Eingerichtet für Kinder der deutschen Handwerker und „Kleinunternehmer“, boten zuerst nur Elementarschulen, dann im Laufe des 18. Jahrhunderts auch Lateinschulen einen sich stetig erweiternden Fächerkanon an. Zu den Interessen der pietistischen Mission in Russland liegen Arbeiten von Eduard Winter [Wi53] vor, der schon in den 1950er Jahren darauf hinwies, dass die Franckeschen Anstalten Verbindungen nach Russland hatten. Durch die Analyse der pietistischen Netzwerke stellte er fest, dass viele Pastoren, Lehrer oder Gönner der Petri- und Annenkirche zu diesem Netzwerk gehörten. Günter Mühlpfort [Mü00] und Galina Smagina [Sm00] betonen die Verbindung von Pietisten mit der Aufklärung in Russland und mit deutschsprachigen Wissenschaftlern [1]. Im Mittelpunkt dieser Arbeiten stehen die Akademie der Wissenschaften und das Gymnasium bei der Akademie. Swetlana Mengel zeigte konkrete Beispiele des kulturellen Austausches zwischen Russland und Halle in Form von Übersetzungen der pietistischen Erbauungsliteratur. [Me09]

Quantitative Unterstützung

Fragen der Bildung und des Ideentransfers lassen sich nicht leicht quantifizieren. Dennoch können quantitative Methoden unterstützend sein, um die sozialgeschichtliche Dimension der Frage zu erforschen. Kollektivbiographien können quantitativ auf ihre (soziale) Struktur und Wandel dieser Struktur untersucht werden.

So könnten beispielsweise Eigenschaften für die Gruppe der Missionare identifiziert werden, die diese von anderen Personengruppen abgrenzen. Durch die eine iterative Verfeinerung der Beschreibung zur Bildung von Personengruppen ist es ein Ziel der Entwicklung des Cosmotools, durch die Anwendung quantitativer Verfahren bedeutungsähnliche Personen zu identifizieren, d. h. Personen, deren Eigenschaften sich mit denen bereits definierter Gruppen passen.

[1]Dazu zählen auch Arbeiten von [Be02]
[2]http://www.ieg-mainz.de/Forschungsprojekte——_site.site..ls_dir._nav.17_f.69_likecms.html